Willingen-Usseln

In Willingen-Usseln waren 2017 4 WEA im Bereich des Eideler Berges geplant. Von MIO e. V. wurden zum einen Brut- Rast- und Zugvögel kartiert, zum anderen zu den vom Windkraft-Projektierer unterbreiteten Maßnahmen zur Vermeidung von Vogel-Kollisionen Stellung genommen.
Dies vermochte das VGH Kassel zu überzeugen, welches des Weiteren in 9 B 2016/18 vom 14.05.2019 klarstellte, dass eine Gemeinde die Versagung ihres Einvernehmens auf alle in §§ 33, 35 BauGB genannten Gründe stützen kann, darunter insbesondere auch die Verletzung von Belangen des Natur- und Artenschutzes.
VGH Kassel 9B 2016/18 vom 14.05.2019 WP-Willingen
Damit ist die Bandbreite der Berufungsgründe bei der Versagung des Einvernehmens wesentlich größer, als diejenige beim Flächennutzungsplan. Sind die anderen Belange nämlich bereits auf der Ebene der Regionalplanung abgewogen worden, kann die Gemeinde hier ihren Flächennutzungsplan regelmäßig nur noch auf städtebauliche Gründe stützen. "Städtebauliche Gründe" ist freilich ein unbestimmter Rechtsbegriff, so hat etwa die Stadt Berleburg den Artenschutz zu ihrem städtebaulichen Konzept gemacht. Im Einzelfall können weitere Abwägungslücken der Regionalplanung weiteren Spielraum der kommunalen Flächennutzungsplanung eröffnen.
In der Praxis sollte aber jede Kommune, welche die Windkraftnutzung verhindern möchte, aber bereits das Instrument der Höhenbeschränkung im Flächennutzungsplan nutzen. Dank seines nicht-normativen Charakters als lediglich vorbereitender Bauleitplan ist der FNP nämlich auch nicht der Normenkontrolle zugänglich (BVerwG 4 BN 37.12 vom 02.04.2013).
BVerwG 4 BN 37.12 vom 02.04.2013 Höhenbeschränk FNP1
Eine Ausnahme bildet nur die Ausschlusswirkung von Vorrangflächen bzw. Konzentrationszonen nach § 35 III 3 BauGB, da sie atypisch bereits Außenwirkung entfaltet (BVerwG 4 CN 1.12 vom 31.01.2013).
BVerwG 4 CN 1.12 vom 31.01.2013 keine Normenkontrolle bei Höhenbeschränkung im FNP
Eine solche Einschränkung des Maßes der baulichen Nutzung durch den FNP gilt dann bis auf Weiteres und muss nicht für jedes Projekt gesondert neu beschlossen werden. Auf die Höhenbeschränkung im FNP kann die Gemeinde dann immer das Versagen ihres Einvernehmens stützen und hat damit einen Berufungsgrund, der nicht mehr überprüfbar ist. Vielmehr reflektiert er die planerische Hoheit der Kommune (§§ 1 III, 2 I BauGB) als Ausprägung der kommunalen Selbstbestimmung des Art 28 GG.
Dies unterstrich auch das LG Münster, als es in 011 O 167 vom 17.04.2008 Schadenersatzforderungen eines Projektierers wegen Höhenbeschränkung in der Bauleitplanung klar zurückwies.
LG Münster 011 O 167 vom 17.04.2008 Kein Schadenersatz bei Höhenbeschränkung
Hätte die Gemeinde Willingen sich rechtzeitig eine Höhenbeschränkung in ihren FNP geschrieben, hätte sie ihren Sieg deutlich billiger haben können.

Des Weiteren ist es mit VGH Kassel 9 B 2016/18 vom 14.05.2019 nunmehr gerichtsamtlich, dass die Spezies Rotmilan kein Meideverhalten gegenüber Windrädern zeigt. Und es wurde am 1000 m Ausschlussbereich und 6000 m Prüfbereich - für u.a. häufig aufgesuchte Nahrungshabitate - des noch aus dem alten Helgoländer Papier entwickelten Hessischen Windkraftleitfadens festgehalten.

Wesentlich von den Planungen betroffen war das Hochplateau des Osterkopfes.
Dieses ist in 1,2 km Abstand vom nächsten WEA-Standort als NSG und FFH-Gebiet ausgewiesen mit den erhaltungszielbestimmenden maßgeblichen Arten: Rotmilan, Schwarzspecht, Neuntöter, Raubwürger, Feldlerche, Gartengrasmücke, Wiesenpieper.
Hier beispielhaft ein Auszug aus dem ornithologischen Geschehen um Willingen-Usseln am 18.07.2017:
10.30 Uhr - 11.00 Uhr: Bei Rhena einige Kolkraben und sehr viele Mehlschwalben vor gut einer Stunde. Singend nur noch Zilpzalp, Mönchsgrasmücke und Zaunkönig. Einige Misteldrosseln umherstreifend.
12:06 Uhr: Bei Usseln u.a. 3 Rotmilane, einige Mäusebussarde,1 w. Sperber, 1 WANDERFALKE, 2 (1,1) Turmfalken und überall Mauersegler + 3 Dohlen.12:12 Uhr: + 2 juv. Rotmilane.
12:19 Uhr: 2 WANDERFALKEN direkt südöstlich des Osterkopfs bei Usseln
12:26 Uhr: + je 1 ad. Rotmilan bei Rattlar und Willingen.
12:59 Uhr: Im Bereich Usseln/Rattlar. mindestens 8 ad. + 3 dj. Rotmilane.
13:05 Uhr: Bei Willingen 6 ad. Rotmilane.
13:40 - 14.30 Uhr: 1 W. WESPENBUSSARD, 7 ad. Rotmilane, 3 ad. Schwarzmilane, 5 ad. Mäusebussarde, 2 Turmfalken, 1 Baumfalke, 2 Kolkraben und 1 Paar NEUNTÖTER  nahe Graf Stolberg Hütte oberhalb  von Usseln. Unterhalb der Graf Stolberg Hütte noch ein weiteres Paar NEUNTÖTER.

Da die erhaltungszielbestimmenden maßgeblichen Vogelarten tatsächlich vorkommen und den betroffenen Luftraum in erheblichen Maße nutzen, ist völlig klar, dass bereits die NATURA2000-Verträglichkeitsprüfung negativ ausfallen muss. Somit muss in der Prüfhierarchie nicht einmal auf die Stufen der sUVP-VP und der ASP nebst RNA vorgedrungen werden.

Leider wurden am 21.07.2020 letztlich doch drei Nordex N117-3600 genehmigt, wie vom RP Kassel am 15.09.2020 bekanntgemacht. Die Klagefrist läuft noch bis 19.11.2020.

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